S. Magid: Meir Kahane: The Public Life and Political Thought of an American Jewish Radical

Cover
Titel
Meir Kahane. The Public Life and Political Thought of an American Jewish Radical


Autor(en)
Magid, Shaul
Erschienen
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
$ 35.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Mahla, Department of Jewish History, University of Haifa

Wohl selten gewinnen historische Studien in den Jahren nach ihrem Erscheinen so erschreckend an Aktualität wie Shaul Magids „Meir Kahane: The Public Life and Political Thought of an American Jewish Radical“. Zwei Jahre nach Veröffentlichung der Studie haben rechtsextreme Kräfte, die sich unter anderem auf die Ideen des amerikanisch-israelischen Aktivisten und Politiker stützen, den Weg in die israelische Regierung gefunden und sind nun dabei, die demokratischen Grundlagen des jüdischen Staates zu untergraben.

Doch steht die Analyse israelischer Verhältnisse nicht im Fokus von Magids Studie. Wie er mehrfach in seinem Buch betont, war Kahane zwar ein wichtiger Vordenker und Ideengeber nationalistisch-messianistischer Aktivisten im jüdischen Staat, doch sieht Magid den dort erstarkenden Neokahanismus nicht einfach als eine Fortsetzung von Kahanes Denken und Wirken an, sondern attestiert diesem seine eigenen israelischen Wurzeln. So geht es ihm auch nicht um die Einordnung seines Protagonisten in die israelische Ideengeschichte, sondern wie der Untertitel seiner Studie bereits klar macht, begreift er Kahane in erster Linie als amerikanisch-jüdischen Aktivisten und Denker. Das heißt gleichzeitig nicht, dass er dessen israelische Phase außer Acht lässt. Vielmehr argumentiert Magid, Kahane sei zutiefst von amerikanischen Debatten und Realitäten beeinflusst gewesen und vor diesem Hintergrund müsse auch dessen letztliches Scheitern in der israelischen Politik verstanden werden.

Martin David Kahane wurde 1932 in Brooklyn geboren. Er ließ sich zum Rabbiner ausbilden und nahm den Vornahme Meir an. 1968 gründete er die Jewish Defense League (JDL), die sich dem aktiven Kampf gegen antisemitische Übergriffe auf amerikanische Juden verschrieb. Bekannt wurde er in den USA vor allem aber, als er sich an die Spitze der Bewegung für die Auswanderungserlaubnis der Juden aus der Sowjetunion stellte und die JDL teilweise auch mit gewaltsamen Mitteln dieses Ziel durchzusetzen versuchte. 1971 wanderte Kahane selbst nach Israel aus. Dort gründete er die rechtsextreme Kach Partei, für die er 1984 ins israelische Parlament einzog und dort repräsentierte, bis die Regierung ein Gesetz erließ, das es ihr ermöglichte, Kach als rassistische Partei von den nächsten Wahlen im Jahr 1988 auszuschließen. 1990 wurde er in Manhattan ermordet.

Wie bereits aus dieser kurzen Biographie deutlich wird, war Kahane eine schillernde und polarisierende Figur, die mit Geheimdienstverwicklungen, Bombenattentaten, in den Selbstmord getriebenen Liebhaberinnen, Playboy-Interviews, Mafiakontakten und dem Tod durch Attentat durchaus den Stoff für Hollywoodfilme bieten würde. Magid erwähnt zwar viele dieser Details, doch konzentriert er sich weniger auf Kahanes schillerndes Leben und Aktivismus als vielmehr auf die Darstellung und Analyse von dessen Schriften sowie die intellektuelle Entwicklung seines Protagonisten.

Kahane, so argumentiert Magid, ist vor allem vor dem Hintergrund des amerikanischen Liberalismus zu verstehen, der in den Nachkriegsjahren unter den Juden des Landes starke Unterstützung fand. Viele amerikanische Juden waren maßgeblich an der Bürgerrechtsbewegung der 1950er- und 1960er-Jahre beteiligt und weitgehend in die amerikanische Gesellschaft integriert. Im Gegensatz zu diesen sah Kahane im Liberalismus eine zentrale Gefahr für das Überleben des Judentums, da er fürchtete, amerikanische Juden würden ihre separate Gruppenidentität aufgeben und sich in die Mehrheitsgesellschaft assimilieren. Kahane, den Magid als radikalen Denker einordnet, kritisierte solche Tendenzen vehement. Dem entgegen setzte er die Figur eines stolzen und militanten Juden, der sein Judentum offen zur Schau trug und sich selbst etwa gegen Übergriffe von afroamerikanischen Aktivisten oder White Supremacists verteidigte. Entlehnen konnte Kahane solche Ideen der jüdischen Antike wie auch dem Zionismus. Doch, so betont Magid, ging es Kahane zu diesem Zeitpunkt nicht um die Auswanderung der Juden nach Israel, sondern um die Wandlung und Stärkung des amerikanischen Judentums.

Wie erwähnt war es der Vorwurf des Rassismus, der schließlich zum Ausschluss von Kahanes Bewegung aus dem politischen Betrieb Israels führte. Und tatsächlich sieht Magid Kahanes Denken zutiefst geprägt durch die amerikanischen Rassekämpfe. Seine Vorstellungen versteht Magid vor allem als Reaktion auf die Black Power Bewegung, die Juden zu „Weißen“ erklärte und Antisemitismus als eine Art Familienzwist herunterspielte. Kahane dagegen sah im Antisemitismus eine metaphysische Kategorie, einen unaufhebbaren Gegensatz, und propagierte die Stärkung einer separaten jüdischen Gruppenidentität. Sein amerikanisches Rassedenken transferierte Kahane in den 1970er-Jahren dann nach Israel. Gerade in der Tatsache, dass er solchen amerikanischen Kategorien verhaftet blieb, sieht Magid den Hauptgrund seines Scheiterns in Israel.

Ein weiteres zentrales Motiv macht Magid im Antikommunismus Kahanes aus. Bereits lange vor seinem Engagement für die Befreiung der Juden in der Sowjetunion beschäftigte sich Kahane mit den Gefahren des Kommunismus, den er vor allem wegen seiner antireligiösen und antinationalistischen Tendenzen bekämpfte. Der Aktivismus für die sowjetischen Juden war es, der Kahane zu seinen größten Erfolgen in den USA verhalf. Mit diesem Thema mobilisierte er vor allem junge Juden, die wie er in den sozialen Brennpunkten New Yorks aufgewachsen waren. Doch dieser Aktivismus war es auch, der in den USA seinen politischen Niedergang besiegelte, als 1972 in den Büroräumen des ukrainisch-amerikanischen Konzertveranstalters Sol Hurok eine Bombe explodierte, die mehrere Menschen verletzte und eine Mitarbeiterin tötete. Kahane und seine JDL wurden in der Öffentlichkeit für den (nie aufgeklärten) Anschlag verantwortlich gemacht und geächtet.

Nach seiner Immigration nach Israel widmete sich Kahane vor allem dem Zionismus und der Zukunft des jüdischen Staates. Wie Magid herausstreicht, war Kahane einer der frühen Denker im rechten, politischen Spektrum, in dem Zionismus und Demokratie als unvereinbar angesehen wurden. Im Gegensatz zu linken Kritikern des Zionismus wollte er aber nicht die jüdischen Fundamente des Staates aufgeben, sondern sah vielmehr in dessen demokratischen Verfassung ein Problem. Er bestand auf eine Trennung zwischen Juden und Arabern und ging davon aus, dass volle politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung nicht möglich sei. Tatsächlich waren und sind solche Ansichten unter israelischen Juden durchaus verbreitet. Doch als radikaler Denker blieb Kahane dabei nicht stehen, sondern bestand darauf, die Emigration palästinensischer Araber als vermeintliche Lösung zu propagieren.

Des Weiteren sah er in der säkularen Lebensweise vieler Israelis eine große Gefahr. Gerade das Bestreben des frühen Zionismus, aus Israel einen „normalen“ Nationalstaat nach westlichem Vorbild zu machen, lehnte Kahane fundamental ab. Vielmehr arbeitete er daran, den Staat radikal zu transformieren und dessen säkulare Grundlagen zu unterwandern, um diesen „aus den Klauen der Normalisierung“ zu befreien (S. 149). Neben der Radikalisierung von nationalen und theologischen Vorstellungen, zeichnet Magid auch die Entwicklung von Kahanes Gewaltvorstellungen nach. In seinen frühen Jahren hatte Kahane Gewalt vor allem als Mittel der Selbstverteidigung legitimiert. In seinen späteren Jahren propagierte er Gewalt auch als proaktives Mittel, um gegen die „Feinde Gottes“ vorzugehen und die arabische Minderheit aus dem Lande Israel zu entfernen.

Solche Ideen brachte Kahane schließlich in seinem letzten Buch „The Jewish Idea“ zu einem Höhepunkt, dass Magid in seinem letzten Kapitel analysiert und in seinen jüdisch-ideengeschichtlichen Zusammenhang einordnet. In diesem driftete Kahane schließlich in einen jüdischen apokalyptischen Messianismus ab, der darauf abzielte, den nationalen Charakter des jüdischen Volkes von seinen diasporischen – sprich liberalen und moderaten – Tendenzen zu „bereinigen“ und in einen biblischen Heroismus zurückzuführen.

Magid zeichnet Kahanes Denken und intellektuelle Entwicklung in höchst lesbarer und überzeugender Weise nach. Besonders hervorzuheben ist sein wiederkehrender Hinweis darauf, wie weit einige Elemente von Kahanes Denken in Teile des amerikanischen (und israelischen) Judentums eingedrungen sind. Nicht zufällig beginnt er seine Ausführungen mit einer Anekdote über ein Gespräch auf einer Bar-Mitzwa-Feier in New York, in der ihm sein Gegenüber beim Smalltalk am Buffe erklärt, er stimme Kahanes Analyse der amerikanisch-jüdischen Verhältnisse zu, lehne nur eben dessen Mittel ab. In dieser Hinsicht liest sich Magids Biographie zugleich als eine Kritik aktueller jüdisch-amerikanischer (und zu einem gewissen Grad eben doch auch israelischer) Verhältnisse.

Kleinere Mängel lassen sich an jedem Buch finden. So hätte ein sorgfältigeres Lektorat der ersten Kapitel gewisse Wiederholungen vermeiden können. Da im deutschen Wissenschaftsdiskurs eine ausführliche Debatte um Begrifflichkeiten wie Radikalismus und Extremismus existiert, mag es aus hiesiger Perspektive irritieren, dass Magid viel Energie auf die Herausarbeitung Kahanes als radikalem Denker verwendet. Doch ist es gerade diese Argumentation, die es dem Autor ermöglicht, Kahanes Vorstellungen und Ideen in einen weiteren Kontext zu stellen. Überzeugend schafft es Magid, Kahane aus seiner Marginalität zu holen und dessen Einfluss vor allem auf amerikanisch-jüdische Diskurse herauszustreichen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch